Eine Patientin, die vor kurzem noch im Koma lag, erzählt:

Bei mir fing alles mit einer Grippe an. Nach ein paar Tagen besuchte mich eine Nachbarin, die einen medizinischen Hintergrund hat, und rief sofort den Notarzt. Irgendwann muss ich noch ein paar Nachrichten am Handy verschickt haben, daran kann ich mich aber schon nicht mehr erinnern und schon im Krankenwagen war ich nicht mehr bei vollem Bewusstsein und lag danach 12 Tage lang im Koma.

Das war so eine Zeit des Schlafes. Es war ruhig, ich habe nichts mitbekommen. Ich hatte auch keine bildlichen Träume, gar nichts.

Was ich als nächstes mitbekommen hatte war, dass ich Hunger hatte. Ich hatte Lust auf einen Apfel und eine Cola und wollte mich verständlich machen. Da hörte ich: „Ich habe Angst vor Ihnen! - Ich glaube, die Frau schafft das nicht. Die geht uns über den Jordan und stirbt.“ Ich habe mich gewundert: „Wer stirbt denn hier? – Warum versteht denn hier niemand, dass ich Hunger habe! Ich will einfach nur etwas essen! Ich will ein Glas Cola und einen Apfel!“ Wie ich später erfahren habe, hatte ich während dieser Phase im Koma einige Panikattacken. Aber eigentlich wollte ich nur sprechen und etwas zu essen und zu trinken – und dabei mag ich Cola normalerweise gar nicht so gerne.

Dann war für mich wieder Ruhe angesagt. Schweigen. Ich habe dieses Thema losgelassen und es war wieder Stille. Für mich war es wieder so, als ob ich schlafen würde.

Dann gab es einige Personen, die ich so richtig in mir zugelassen habe, die ich wahrgenommen habe. In diesen Situationen hatte ich den Eindruck, wir sitzen nebeneinander und unterhalten uns ganz normal. Zum einen war das eine gute Freundin von mir, die mich besucht hat. Diese hörte ich am lautesten:
„Hallo! Ich bin es! Ich bin wieder da. Und wie geht's dir? Was machst du gerade?“

Aber auch andere Angehörigen habe ich gehört:
„[…] Alles ist in Ordnung. Alles ist gut.“, oder mitbekommen, dass sie mich streicheln.

Aber von mir kam keine Reaktion, keine Antwort oder etwas in der Art. Aber ich habe es wahrgenommen! Ich habe es gehört. Ich habe es richtig live mitbekommen!

Dazwischen immer wieder: nur Ruhe, nur Stille.

Mir wurde erzählt, dass ich nach einigen sehr kritischen Situationen plötzlich sämtliche Therapien, die mir angeboten wurden, angenommen hatte und dann wie ein Blitz hochgeschossen bin und wach gewesen bin. Und ich war einfach da - war einfach wieder da.

Als Erstes wurde ich gefragt: „Wissen Sie, welches Datum wir heute haben?“
Ich dachte: „Was wollen die von mir? Welches Datum? Ich weiß es nicht!“
„Aber Sie wissen, wann Sie Geburtstag haben?“
„Ja, natürlich weiß ich das!“

Aber ich war ganz, ganz schwach. Ich wusste ja nicht einmal, wo ich in diesem Moment war. Ich wusste nicht, was passiert war und was gerade jetzt mit mir los war.
Und dann merkte ich, dass ich meinen Kopf nicht heben konnte, ich konnte meine Arme nicht heben, ich konnte meine Beine nicht bewegen.

Und das war sehr, sehr schlimm für mich!

Schlimm war nicht so sehr die Tatsache, dass etwas passiert war, und im Nachhinein macht mir auch der Gedanke keine Angst, dass ich vielleicht nicht mehr aufgewacht wäre; aber dieser absolute körperliche Verfall, die Abhängigkeit von anderen Menschen, die mich waschen, die mich sauber machen müssen, die ich um Hilfe bitten muss, das ist etwas, wo ich sage, nein, nein, nein, das geht gar nicht.

Und seit diesem Tag habe ich gekämpft, weil ich sage, das ist kein Zustand! Ich möchte wieder laufen, ich möchte am Leben teilhaben!

Als ich nach dem Aufwachen noch auf der Intensivstation war, kam diese Pflegerin noch einmal in mein Zimmer, die während einer dieser Panikattacken gesagt hatte, dass sie Angst vor mir habe:
“Um Gottes Willen, vor ihnen habe ich immer noch Angst! Sie hatten ja eine Panikattacke, da haben Sie mir so Angst gemacht - ich habe gemeint, Sie sterben!“ … „Aber es ist schön, dass Sie da sind!“
Dieser letzte Satz hat mir richtig gutgetan.

Heute bin ich wieder gelaufen mit meiner Sporttherapeutin, noch geht es langsam und nur mit Unterstützung, aber bald werde ich es wieder alleine können.

Vor einigen Tagen habe ich mich das erste Mal wieder getraut, in den Spiegel zu schauen. Einige Besucher hatten mich gefragt, ob ich ein Harry-Potter-Zeichen auf der Stirn habe. Nun habe ich meine ganzen Narben gesehen, die von den Schläuchen und Schnallen stammen. Aber auch wenn ich momentan etwas alt aussehe, so ist das gerade nebensächlich, denn:
Ich lebe!

Das ist mir wichtig! Es lohnt sich zu kämpfen!